Zwei Pfeile, die gemeinsam einen Kreis bilden. Der eine ist hellrosa, der andere mittelblau
Verschiedenes Essay

Wir reden zu wenig über den weiblichen Zyklus

In der letzten Zeit habe ich viel über den weiblichen Zyklus recherchiert. Weil ich eine Frau bin und wissen möchte, was da eigentlich in meinem Körper passiert. Aber dafür muss ich mich selbst hinsetzen und nachforschen. Denn wirklich erklärt wurde es mir bisher nie. Und damit bin ich definitiv nicht die Einzige.

Mittlerweile würde ich nicht mehr sagen, dass über die Menstruation zu sprechen ein Tabu ist, aber sie ist definitiv kein Gesprächsthema für den Smalltalk.

„Hey, wie geht’s denn so?“

„Ach, ich habe gerade meine Menstruation – ein paar Krämpfe und so – aber sonst ganz gut.“

Das wäre definitiv kein realistischer Gesprächsverlauf.

Außerdem merkt man deutlich den Unterschied zwischen Männern und Frauen. Während es für die meisten Frauen, die ich kenne, mehr oder weniger normal ist, dass eine Freundin mal über ihre Tage spricht, hören die Gespräche schlagartig auf, sobald eine männliche Person hinzukommt.

Und ich muss sagen, ich erkenne mich darin selbst wieder. So gerne ich möchte, dass die Stigmatisierung verschwindet und die Menstruation kein Flüsterthema oder „reine Frauensache“ mehr ist – wenn es darum geht, offen mit meinem Papa oder meinem Bruder über das Thema zu sprechen, traue ich mich selbst nicht mehr.

Warum der ganze Zyklus von Bedeutung ist

Während das Thema Menstruation in Deutschland immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnt, bleibt die Gesamtheit des weiblichen Zyklus ein Thema über das so gut wie nie gesprochen wird. Nicht, weil es ein Tabu wäre. Ich glaube einfach, dass viele Menschen selbst nicht viel davon wissen.

Denn „relevant“ wird der Zyklus erst, wenn etwas dabei schief läuft. Oder, wenn eine Frau schwanger werden möchte, wofür das Wissen um den Eisprung und die fruchtbaren Tage doch plötzlich sehr hilfreich ist.

Doch wenn keines dieser Ereignisse eintritt, braucht man all das anscheinend nicht zu wissen. Das einzig Relevante, ist die Periode, denn die kann nicht einfach ausgeblendet werden.

Doch ist das nicht eine traurige Einstellung? Zum weiblichen Zyklus gehört nun Mal mehr als die Menstruation und einen Großteil ihres Lebens wissen Mädchen gar nicht, was mit ihrem Körper geschieht. Und hilfreich wäre dieses Wissen noch dazu.

Wer genauer darüber Bescheid weiß, was in seinem Körper passiert, kann auch eher einschätzen welche Auswirkungen das hat. Wie die Zyklushase die Stimmung beeinflussen kann und welche Beschwerden vor und während der Menstruation normal sind und welche nicht. Auch kann man sich so erklären, was der Schleim bedeutet, den eine Frau häufig in ihrer Unterhose vorfindet oder warum man plötzlich so ein stechendes Gefühl im Unterbauch hat, auch wenn die Periode noch längst nicht bevorsteht.

Eine Frau, die über ihren Zyklus Bescheid weiß, versteht, was mit ihr geschieht.

Trotzdem scheint die Gesellschaft es nicht für notwendig zu befinden, junge Mädchen über die Vorgänge in ihrem eigenen Körper aufzuklären. Im Biologieunterricht spricht man das Thema Menstruation Mal kurz an. Auch der Eisprung und die Eizellen werden erwähnt. Aber hauptsächlich geht es im Schulunterricht um eine Schwangerschaft. Die Befruchtung wird nur kurz erklärt, dann geht es um die verschiedenen Entwicklungsstadien des wachsenden Babys.

Das ist schön und gut, doch eine Schwangerschaft steht für die meisten Jugendlichen in dem Alter nicht gerade auf der Tagesordnung. Wissen dazu ist natürlich wichtig, auch in Bezug auf Verhütung, doch zu erklären, wie der weibliche Zyklus den Großteil der Zeit wirkt (nämlich ohne Schwangerschaft), wäre deutlich näher an der aktuellen Lebensrealität der Schüler:innen.

Erinnerungen aus meiner Schulzeit

In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal auf die schulische Darstellung der bekanntesten Zyklusphase – der Menstruation – zurückkommen. Sie wird im Biologieunterricht angesprochen, ja. Aber hauptsächlich für Mädchen.

Ich erinnere mich an einen Tag, an dem eine Frauenärztin bei uns zu Besuch war. Das dürfte in der 8.Klasse gewesen sein, wir waren also um die 14 Jahre alt. An diesem Tag wurden wir in Gruppen aufgeteilt: Wir Mädchen gingen mit der Frauenärztin in einen Raum, die Jungs in einen anderen. Was die Jungs dort gemacht haben, habe ich nie erfahren.

Wir jedenfalls sollten etwas über die Periode erfahren. Und über Sex. Was genau wir gesagt bekommen haben, weiß ich nicht mehr aber woran ich mich erinnere, ist das Gefühl, als wir wieder draußen waren. Alle hatten Angst. Denn worüber die Frauenärztin am meisten gesprochen hat, waren Geschlechtskrankheiten. Und zwar in einer Weise, die uns alle diese Krankheiten fürchten ließ. Mit genau diesem Gefühl haben wir den Raum dann auch wieder verlassen.

So sollte kein Aufklärungsunterricht ablaufen. Rückblickend hätte ich erwartet, dass uns die Frauenärztin mehr über die Periode erzählt: Über Binden, Tampons, vielleicht Menstruationstassen. Wünschenswert wäre natürlich auch eine allgemeine Aufklärung über den weiblichen Zyklus, aber was auch immer der Inhalt gewesen sein mag, es hätte ein Gespräch sein sollen, dass uns stärkt und aus dem wir mit Wissen und Selbstbewusstsein herausgehen, keines, das uns Angst macht.

Das zweite Mal, an das ich mich erinnern kann, an dem in der Schule über die Menstruation gesprochen wurde, war in der 9.Klasse. Hauptsächlich ging es um etwas anderes, ich schätze Verhütung und/ oder Schwangerschaft. Jedenfalls, am Ende der Stunde hat jedes Mädchen einen Pappumschlag bekommen. „Nur die Mädchen“ hieß es und drin waren Binden und Tampons. Viele waren ein bisschen beschämt (mich eingeschlossen) und haben das Ganze schnell weggepackt. Währenddessen haben die Jungs versucht herauszufinden, was in den Umschlägen ist, und warum nur die Mädchen Geschenke bekommen. Diese Neugier kann ich ihnen nicht verübeln, sie hat die meisten Mädchen aber nur noch verlegener gemacht.

Rückblickend ist das ein Beweis für ein grundsätzliches Problem im Aufklärungsunterricht. Den Jungs wird das alles gar nicht erzählt. Die wenigen Sachen, die ein Mädchen in der Schule über ihre Periode erfährt, bekommen die Jungs noch nicht einmal mit. Sie erfahren, dass es so etwas wie eine regelmäßige Blutung, die man Menstruation nennt, gibt – aber das wars auch schon.

Wie sollen wir nun erwarten, dass männliche Personen mit uns über dieses Thema sprechen? Dass sie nicht peinlich berührt wegschauen, wenn sie nichts darüber lernen und das Einzige, was ihnen dazu beigebracht wird ist, dass es etwas ist, was sie nichts angeht? Denn genau das signalisieren solche Geschenkeaktionen und diese strikte Aufteilung in „Mädchenthemen“ und „Jungsthemen“.

(Übrigens unterringelt mir mein Rechtschreibprogramm gerade das Wort „Jungsthemen“, „Mädchenthemen“ scheint jedoch ein anerkannter Begriff zu sein. Darüber könnte man auch mal sprechen.)

Wie sollen wir erwarten, dass Jungs die Periode als etwas anderes sehen als eine lästige Zeit, in der das Mädchen schlecht gelaunt ist, wenn das das Einzige ist, was sie davon mitbekommen?

So kann das nicht funktionieren.

Dabei kann eine Änderung des gesellschaftlichen Bildes von Menstruation und weiblichem Zyklus am aller besten in der Schule begonnen werden. Bei Kindern und Jugendlichen, die hoffentlich noch kein verbohrtes und vorurteilsbehaftetes Bild zu diesem Thema haben. Indem man die Neugier nutzt und den Kindern beibringt damit richtig umzugehen. Indem man ihnen eine bessere Verhaltensweise vorlebt.

Aber genau das wird nicht getan.

Wie ich mir den Umgang mit dem weiblichen Zyklus wünschen würde

Wünschenswert wären ein paar Stunden im Unterricht, in denen das generelle Prinzip des weiblichen Zyklus besprochen werden: Wie die Eizelle wächst, der Körper sich auf eine Schwangerschaft vorbereitet und bei nicht Eintreten dieses Falles die nun überflüssige Schleimhaut in der Menstruationsblutung ausscheidet. Dann könnte man kurz auf die verschiedenen Möglichkeiten das Blut während der Menstruation aufzufangen eingehen. Das würde den Mädchen einen guten Überblick und vielleicht neue Perspektiven verschaffen, ist aber bestimmt auch für die Jungs interessant. Perfekt wäre jetzt natürlich noch eine kurze Erklärung dazu, dass die jeweilige Zyklusphase auch das Wohlbefinden beeinflussen kann und, dass das ein natürlicher Vorgang ist, da der Hormonhaushalt einer Frau im Gegensatz zu dem eines Mannes nicht konstant ist und sich damit eben auch Veränderungen im Verlauf des Zyklus ergeben.

Diese Dinge hätte ich zumindest gerne in der Schule gelernt oder zumindest mal angesprochen, damit ich weiß, wonach ich weiter suchen kann um mich selbst besser zu informieren. Aber man braucht immer zumindest jemanden der den Denkprozess in diese Richtung anstößt und genau das würde ich mir von der Schule wünschen.

Ein rosafarbener Kreis in dem die Begriffe Menstruation, Follikelphase, Eisprung und Lutealphase (also die vier Zyklusphasen) stehen.

Jetzt habe ich hier große Reden geschwungen und falsches Verhalten aufgezeigt. Dabei ist mein Verhalten auch noch weit von dem entfernt, was ich mir wünsche und, was ich in diesem Text fordere.

Ich habe es mittlerweile geschafft und achte auch bewusst darauf, offener mit meinen Freundinnen darüber zu sprechen. Wir können uns sagen, dass wir unsere Tage haben, mir wird erzählt, dass meine Freundin diesen Monat eine besonders starke Blutung hat, und ich rede mit meiner Banknachbarin über die Bauchschmerzen, die ich wegen meiner Menstruation habe.

Diese Offenheit ist ein schönes Gefühl. Und häufig eine Erleichterung. Denn für Menstruationsbeschwerden bekommt man in diesem Kreise großes Verständnis. Generell halten Frauen bei dem Thema zusammen.

Doch wenn es darum geht mit meinem Vater oder Bruder darüber zu reden, verliere ich mein Selbstbewusstsein. Ich spreche das Thema nie in ihrer Gegenwart an. Vielleicht, weil es auch meine Mutter nie getan hat. Aber, wenn sie mal Andeutungen in diese Richtung vor den männlichen Bewohnern unseres Hauses macht, ziehe ich mich sofort zurück, es ist mir peinlich.

Ich mag mich nicht so fühlen. Es entspricht nicht meiner eigentlichen Überzeugung. Trotzdem ist es so. Und ich möchte an mir arbeiten, um das zu verändern.

Doch macht mich eben dieses Gefühl auch immer wieder darauf aufmerksam, dass sich in unserer gesamten Gesellschaft etwas ändern muss. Wenn wir es schaffen kollektiv mehr und offener über den weiblichen Zyklus zu sprechen, werden auch die Kinder irgendwann keine Hemmungen mehr dabei haben.

Deswegen ist die Offenheit beim weiblichen Zyklus etwas, woran ich für mich arbeiten muss. Aber gleichzeitig muss die gesamte Gesellschaft daran arbeiten und auch die Institutionen, allen voran die Schulen, müssen dabei mitgehen. Denn Wissensvermittlung zu diesem Thema ist notwendig und mehr Offenheit längst überfällig.


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