Man sieht den Rücken einer Frau mit schulterlangen, blonden Haaren. Sie schlingt die Arme um ihren Oberkörper während sie den Sonnenaufgang hinter einigen Bäumen ansieht
Intros und Extros

Wie ticken Intros?

In diesem Beitrag geht es um die introvertierten Menschen. Ich werde genauer auf Punkte eingehen, die ich im Einführungsbeitrag nur angerissen habe und so versuchen, ein genaueres Verständnis für die Introversion zu schaffen. Es geht um Fragen, wie diese:

Was macht eine introvertierte Persönlichkeit aus? Woraus zieht sie ihre Energie? Welche typischen Charaktereigenschaften haben Intros? Welche Stärken und Schwächen resultieren daraus?

Und vieles mehr zur Introversion.

Fokus & Stimulationslevel

Der Fokus der Gedanken – wohin richtet das Gehirn seine Aufmerksamkeit? Das ist erst Mal die Grundlage der Definition von Intro- und Extroversion und einer der wichtigsten Punkte in der Beschreibung von Carl Gustav Jung, der die beiden Begriffe 1921 zum ersten Mal in seiner Theorie der Persönlichkeitstypen verwendet hat. Auf ihn geht quasi alles zurück.

Introvertierte Menschen sind von der ganzen Persönlichkeit her eher nach innen gerichtet. Das erkennt man schon am Wort. Intro bedeutet im Lateinischen „hinein“.

Intros legen ihren Fokus vor allem, auf ihre innere Welt, ihre Gefühle und Gedanken. Die Bedeutung von Ereignissen steht im Vordergrund. Dabei nimmt ihr Gehirn viele Eindrücke auf und achtet auch auf kleinste Details, die dann anschließend analysiert werden.

Ein anderer entscheidender Punkt der Definition ist das bevorzugte Stimulations-Level. Stimulation beschreibt die Stärke und Anzahl von äußeren Eindrücken. Was passiert um dich herum? Wie intensiv sind die Eindrücke? Wie viel hat dein Gehirn zu verarbeiten?

Introvertierte Menschen bevorzugen einen niedrigen Grad an Stimulation. Sie genießen die Ruhe und konzentrieren sich am Liebsten auf 1-2 Personen. Große Menschengruppen und extrem laute, wuselige Orte, meiden sie lieber.

Deshalb genießen Intros einen ruhigen Abend zu Hause auf dem Sofa, einen Brunch mit einer Freundin oder einenen schönen Spaziergang.

Aktivitäten, die den bevorzugten Grad an Stimulation einer introvertierten Person übersteigen, kosten sie sehr viel Energie. Deshalb muss danach eine längere Ruhezeit eingeplant werden, um sich wieder zu regenerieren.

Solche Aktivitäten können eine Party sein oder auch nur eine Fahrt in der überfüllten U-Bahn. Intros sind durchaus in der Lage auf Party zu gehen oder U-Bahn zu fahren. Sie müssen sich danach aber ausruhen, da es ihnen persönliche Energie nimmt.

Energiegewinnung durch Ruhe und Zeit allein

Um einen Menschen auf dem Intro-Extro-Kontinuum einordnen zu können, ist entscheidend zu wissen, auf welche Art und Weise er seine persönliche Energie gewinnt.

Wie verhält sich der Mensch nach einem anstrengenden Tag in der Arbeit oder der Schule? Was möchte er gerne machen? Zuhause bleiben, sich gemütlich aufs Sofa setzen und ein Buch lesen? Oder doch lieber raus gehen, sich mit Freunden treffen oder die aufgestaute Energie beim Training im Fitnessstudio rauslassen?

Du ahnst es vermutlich, die Intros gehören zur ersten Gruppe.

Man sieht ein Männchen, das auf dem Boden sitzt und nachdenklich ein Schachbrett vor ihm ansieht.

Denn introvertierte Persönlichkeiten ziehen ihre Energie im Allgemeinen aus der Zeit, die sie alleine verbringen, in der sie ihren Gedanken nachhängen und sich eigenen Aufgaben und Projekten widmen können.

Und das geht am Besten, mit möglichst wenig Input (Stimulation) von außen. Deswegen verbringen Intros ihre Alone-Time gerne an einem Ort, an dem sie sich wohl fühlen und den sie gut kennen, beispielsweise das eigene Zimmer oder die eigene Wohnung. An fremden Orten fällt das Entspannen oft schwerer.

Viele Intros sortieren ihre Gedanken aber auch gerne an schönen Orten in der Natur, wie einem Park, See oder beim Wandern in den Bergen.

So laden introvertierte Menschen ihre Batterien wieder auf.

Typische Eigenschaften und Verhalten von Introvertierten

Wenn man Charakter und Verhalten vieler Introvertierter vergleicht, stellt man einige Gemeinsamkeiten fest, beziehungsweise Eigenschaften, die besonders häufig bei Intros vorkommen im Vergleich zu Extros. Denn diese Eigenschaften werden begünstigt durch die Art und Weise, wie die Wahrnehmung von Intros funktioniert und wie sie ihre Energien aufladen.

Trotzdem wird kaum eine Person alle diese Eigenschaften aufweisen. Und auch extrovertierte Menschen, können sich vielleicht in dem einen oder anderen Punkt wiederfinden. Die große Häufung dieser Charakterzüge und Verhaltensweisen, liegt aber eben auf der Seite der Introversion.

  • Ruhig (nach außen hin)
  • Sensibel
  • Denken nach bevor sie sprechen
  • Lieben tiefgründige Gespräche aber finden Smalltalk schrecklich
  • Haben meist einen kleineren, aber dafür ausgewählten Freundeskreis
  • Fühlen sich auf Partys häufig unwohl
  • Werden von Anderen oft als still oder sogar verschlossen beschrieben
  • Hören gerne und genau zu
  • Meiden Konflikte
  • Haben häufig das Gefühl „anders“ zu sein
  • Behalten ihre Gefühle lieber für sich
  • Ihnen gefällt es, alleine an Projekten zu arbeiten. So können sie ihre Konzentration nutzen und die Dinge so umsetzen, wie sie selbst es für richtig halten.
  • Kennen das Gefühl „zu viel zu denken“

Welche Stärken haben Intros?

Aus allen diesen Eigenschaften und ihrer eigenen Wahrnehmung entstehen intro-spezifische Stärken. Zum Beispiel:

Zuhören:

Introvertierte Menschen sind besonders gute Zuhörer. Sie zeigen ehrliches Interesse an ihren Gesprächspartnern und warten nicht nur darauf, wieder selbst zu Wort zu kommen. Sie hören besonders gerne zu, wenn andere Menschen über sich und die Dinge, die ihnen Freude machen sprechen.

Sie sind sehr treue Freunde:

Intros suchen sich ihre Freunde genau aus und lassen niemanden leichtfertig in ihr Leben. Wenn sie sich aber für jemanden entschieden haben, sind sie extrem loyal und ihre Freunde bedeuten ihnen sehr viel. Introvertierte sind häufig tolle Gesprächspartner für die wirklich tiefgründigen Themen. Viele beschreiben eine Freundschaft mit einem Intro auf einem höheren emotionalen Level.

Zuverlässigkeit:

Nachdem introvertierte Menschen Entscheidungen sehr überlegt treffen, kann man sich ziemlich sicher sein, dass sie halten, was sie versprechen. Außerdem ist es vielen Introvertierten ein Herzensanliegen niemanden zu enttäuschen oder vor den Kopf zu stoßen, weshalb sie alles geben, ihre Aufgaben pünktlich und bestmöglich zu erledigen.

Welche Hürden entstehen für die introvertierte Persönlichkeit?

Jede Persönlichkeit hat Stärken und Schwächen, jeder Charakterzug Vor- und Nachteile. Einige der Hürden, denen Introvertierte häufig begegnen können, sind:

Spontanität:

Introvertierte planen gerne. Sie wollen sich schon vorab auf das einstellen können, was kommt. Deswegen sind spontane Aufgaben, Ausflüge oder kurzfristige Änderungen von Plänen häufig überfordernd oder zumindest unangenehm für introvertierte Personen. Spontan etwas zu entscheiden, fällt ihnen oft schwer.

Ein Netzwerk aufbauen:

Wir leben in einer Welt, in der Netzwerke und Kontakte der Schlüssel zu vielen Erfolgen sind. Solch ein Netzwerk aufzubauen, fällt allerdings vielen Intros schwer, da sie dafür Dinge tun müssen, die ihrem Wesen und intuitivem Verhalten widersprechen. Dazu gehört Smalltalk, aber auch Events mit vielen Anwesenden zu besuchen oder Kontakte mit Menschen zu pflegen, die man gar nicht so gerne mag, die einem aber helfen können. Introvertierte Personen suchen sich ihr Umfeld meist sehr bewusst aus und halten ihren Freundeskreis klein. Lose Kontakte mit vielen Menschen zu pflegen und einen großen Kreis an „Bekannten“ zu unterhalten, widerstrebt ihnen häufig.

Zu detailverliebt:

Die Stärke Aufgaben gewissenhaft und zuverlässig zu erledigen, kann auch zu einem Nachteil werden. Intros fällt es häufig schwer eine Aufgabe zu beenden mit der sie nicht zu 100% zufrieden sind. Sie verlieren sich in den Details und brauchen dann natürlich auch länger. Dabei wird in einigen Fällen, gerade in Arbeit oder Schule, vielleicht gar keine „sehr gute“ Bearbeitung benötigt, sondern ein „gut“ wäre vollkommen ausreichend.

Ein Mann sitzt auf einer Bank und liest konzentriert in einem Buch. Um ihn herum ist viel hohes Gras, im Hintergrund sieht man das Meer.

Sollten Introvertierte extrovertierter werden?

Intros bekommen schnell das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Dass sie sich anders verhalten sollten, als sie intuitiv würden.

Denn wir leben in einem Umfeld, das vom Idealbild der Extroversion geprägt ist. In Deutschland aber eigentlich in all den Ländern, die man als Teil der „westlichen Welt“ bezeichnet, gelten typische Extro-Eigenschaften, wie Offenheit, Kontaktfreudigkeit, Abenteuerlust, Spaß an Wettkämpfen und teamorientiertes Arbeiten als absolut erstrebenswert.

Introvertierten wird dagegen vorgehalten, dass sie zu verschlossen, langweilig und eigenbrödlerisch seien. Dass sie sich ändern müssen.

Und das tun viele.

Zumindest nach außen hin.

Viele Intros verhalten sich deutlich extrovertierter als es ihrem Wesen eigentlich entsprechen würde. Sie machen das bewusst oder unterbewusst, um im professionellen Umfeld erfolgreicher und im privaten beliebter zu sein. Oder schlichtweg: Weil ihnen vermittelt wird, dass „man so sein sollte“.

Dieses Verhalten gegen die eigene Natur, ist aber auf Dauer extrem energiezehrend. Intros manövrieren sich so ständig in Situationen, die ihr bevorzugtes Stimulationsniveau überschreiten. Früher oder später lässt dieses Verhalten sie ausgebrannt zurück.

Für einen begrenzten Zeitraum kann es natürlich vorteilhaft sein sich „extrovertierter“ zu verhalten, sich Situationen auszusetzen, die ein hohes Stimulationslevel haben – generell seine Komfortzone zu verlassen. Doch sollten wir das nicht dauerhaft machen.

Denn unsere Komfortzone „ist so etwas wie unser natürliches Biotop, für das wir optimal ausgestattet sind“ (Löhken, S.32).

Übrigens: In Ländern wie Japan, beispielsweise, gelten eher typisch introvertierte Eigenschaften als das Idealbild.

Sollten Introvertierte also extrovertierter werden? Nein. Es ist sicherlich gut seine Komfortzone hin und wieder zu verlassen. Außerdem ist es leider eine Tatsache, dass viele typisch extrovertierte Eigenschaften in unserer Gesellschaft als besser angesehen werden und man demnach durch solch ein Verhalten seine Ziele besser erreicht. Trotzdem sollte es kein Dauerzustand werden, dass Introvertierte sich aktiv gegen ihre Natur verhalten.

Wir können alle dazu beitragen, dass auch die positiven Seiten der Introversion mehr gesehen werden und damit das Leben der Intros erleichtern und gleichzeitig unser aller Leben bereichern. Denn egal ob Intro oder Extro – alle haben ihre Stärken, die sie positiv in unserer Gesellschaft nutzen können.

Das Wichtigste zum Merken:

Oder: Was du auf jeden Fall aus diesem Beitrag mitnehmen solltest:

1. Der Fokus introvertierter Menschen liegt auf ihrer inneren Welt und der Bedeutung von Ereignissen.

2. Intros bevorzugen einen niedrigen Grad an Stimulation.

3. Sie laden ihre Energien durch Zeit allein oder tiefgründige Gespräche mit 1-2 lieben Menschen auf.

4. Intros sind häufig sensibel, empathisch, gute Zuhörer, meiden größere Menschengruppen und behalten ihre Gefühle lieber für sich.

5. Schwierigkeiten haben sie oftmals mit Spontanität, dem Aufbauen von (beruflichen) Netzwerken oder mit einer manchmal nicht nötigen Detailverliebtheit

6. Introversion wird in unserer Gesellschaft leider oft als negativ angesehen, dabei haben Intros – genauso wie Extros – viele Eigenschaften, mit denen sie unsere Gesellschaft bereichern können.

Schreibe deine Fragen gerne in die Kommentare!

Mehr zu dem Thema findest du hier. Und hier geht es zu dem passenden Beitrag über Extros.


Quellen: Leise Menschen – starke Wirkung: Wie sie Präsenz zeigen und Gehör finden von Sylvia Löhken (2015); Still: Die Kraft der Introvertierten von Susan Cain (2013); www.introvertiert.org; eigene Beobachtungen

Bildrechte: Titelbild: Goodinteractive; Männchen das Schach spielt: Peggy und Marco Lachmann-Anke; Mann liest auf einer Bank: Pexels – alle über Pixabay

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