Wir sprechen. Ständig. Jeden Tag rund 16000 Wörter, die wir verwenden um unsere Bedürfnisse, Wünsche und Ideen an unsere Mitmenschen zu übermitteln. Mit manchen der Menschen, die uns umgeben, reden wir auch über unsere Gefühle.
Manchmal machen wir das bewusst, überlegen uns genau, was wir sagen wollen, und wie wir am verständlichsten ausdrücken, was in unserem Kopf vorgeht.
Doch manche Phrasen sind einfach so daher gesagt. Da gibt es Ausdrücke, wie „ich fühle mich wie gerädert“, die eigentlich auf mittelalterliche Folterpraktiken anspielen, neben vergleichsweise normalen Aussagen, wie „ich bin mega erschöpft“.
Seit einiger Zeit wird aber immer häufiger gesagt „ich fühle mich gerade so depressiv“ oder „ich bin heute so depri“, um diesen Zustand zu beschreiben, in dem einem einfach alles doof vorkommt, nichts gelingen will, man müde ist und am liebsten nach Hause gehen und nicht mehr angesprochen werden möchte.
Manche verwenden dieses Wort wenigstens noch, um auszudrücken, dass heute einer dieser lustlosen Tage ist, an dem nichts richtig Spaß macht und irgendwie alles grau und langweilig scheint. Doch auch das entspricht nicht der eigentlichen Wortbedeutung.
Denn wirkliche Depressionen sind eine mentale Krankheit, die sich unter anderem durch Freudlosigkeit, andauernde Schuldgefühle und ständige Erschöpfung auszeichnet und in einige Fällen auch zu Suizidgedanken führt.
Und nun stell dir mal vor, du wärst eine Person mit Depressionen und hörst andere Menschen davon sprechen, wie „depri“ sie doch sind. Dann würdest du doch auch denken, „wenn die nur wüssten“. Du würdest dich vielleicht verletzt fühlen, nicht ernst genommen, wenn jeder diesen Begriff für ein normales Stimmungstief verwendet. Es ist als würde unser Sprachgebrauch diese Krankheit klein reden und runterspielen, während Betroffene so stark für Akzeptanz und Verständnis von psychischen Krankheiten in der Gesellschaft kämpfen. Dieser Sprachgebrauch könnte einen Rückschritt ihrer Erfolge bedeuten. Und das alles nur, weil Wörter nicht gemäß ihrer eigentlichen Bedeutung verwendet werden. Denn Worte haben so eine unglaublich große Macht. Auch wenn sie häufig unterschätzt wird.
Nun könnte man sagen: Gut, dann dürfen wir Wörter, die eigentlich für eine psychische Erkrankung stehen, eben nicht mehr verwenden, wenn wir nicht eben diese Krankheit meinen. Eine Art „Verbot“ klingt einfach – ist aber nicht zielführend. Wirklich etwas verändern können wir nur, indem wir Alternativen finden. Möglichkeiten, verschiedene Emotionen und Gefühlszustände besser zu beschreiben. Mit Wörtern, die das aussagen, was wir eigentlich ausdrücken wollen.
Deshalb gibt es jetzt eine Liste der Kategorie „sags mit anderen Worten“:
- „Ich bin heute echt deprimiert“
- „Ich befinde mich gerade in einem emotionalen Tief“
- „Heute ist echt alles doof“
- „Ich bin heute so antriebslos“
- „Ich fühle mich so schwermütig“
- „Der Tag ist mist“
- „Irgendwie kommt mir heute alles grau vor“
- „Ich bin innerlich erschöpft“
- „Ich fühle mich so melancholisch“ – Das wäre wohl das beste äquivalent zur „Depri-Stimmung“, der Duden listet melancholisch sogar als Synonym zu depressiv. Hier liegt allerdings auch das Problem. Früher gab es den Begriff der Depression noch nicht und Menschen, die wir heute damit diagnostizieren würden, wurden früher eben als melancholisch bezeichnet. Aber Wortbedeutungen ändern sich, und ich würde sagen nach unserem heutigen Sprachgebrauch bezeichnet die Melancholie eher eine Art Weltschmerz, eine tiefe Traurigkeit, Schwermut vielleicht auch mal eine bitter-süße Erinnerung, und wäre damit die für mich beste Wahl, um dieses Gefühl zu benennen, dass wir häufig als „depressiv“ zu beschreiben versuchen.
Anmerkung: Wenn du wirklich das Gefühl hast depressiv zu sein oder eine andere psychische Erkrankung zu haben, kannst du diesen Begriff natürlich verwenden. Das sollst du sogar! Denn in diesem Fall ist wirklich die Erkrankung gemeint. Wir sollten nur besser differenzieren zwischen einem kurzzeitigen Gefühl und einer tatsächlichen psychischen Erkrankung. Damit wir darüber sprechen können, ohne diese in irgendeiner Form klein zu reden.
Wir alle sollten unseren Sprachgebrauch überdenken und reflektieren, was wir da eigentlich genau sagen. Denn unterbewusst eignen wir uns eine Sprache an, die wir eigentlich gar nicht so meinen. Aber das fällt uns erst auf, wenn wir genau darüber nachdenken. Und dann ist es an der Zeit bessere Ausdrücke zu finden.
Quellen: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression https://www.euro.who.int/de/health-topics/noncommunicable-diseases/pages/news/news/2012/10/depression-in-europe/depression-definition https://flexikon.doccheck.com/de/Depression https://www.duden.de/rechtschreibung/melancholisch
Hast du noch andere Ideen, um meine Liste zu ergänzen? Oder kennst du andere Fälle, in denen ein besser reflektierter Sprachgebrauch wichtig wäre?